Die Gründung der Stadt Glückstadt

Christian IV

Christian IV

Glückstadt ist im Vergleich zu den meisten anderen deutschen Städten sehr jung. Seine Anfänge liegen nicht im mittelalterlichen Dunkel. Seine Geschichte lässt sich von der Gründung bis heute kontinuierlich verfolgen.

Glückstadt liegt in dem Teil der Marschen, der als letztes größeres Gebiet der Elbe abgerungen wurde: 1614 beschloss der dänische König, der auch Herzog von Schleswig und Holstein war, die „Wildnis“, wie dieses von dem kleinen Rhin-Fluss durchschnittene Gebiet etwa 50 km elbabwärts von Hamburg noch heute genannt wird, einzudeichen. Der nach Großmacht strebende König wollte auf diesem Boden eine Stadt und Festung anlegen, die als Brückenkopf nach Niedersachsen für seine weitreichenden politisch-militärischen Pläne dienen sollte. Dazu missgönnte er den Hamburgern ihren gewinnträchtigen Seehandel.

Eine neue Stadt an der Unterelbe sollte diese Einnahmequelle seinem Reich erschließen. Dieser Plan erscheint heute unrealistisch, aber am Anfang des 17. Jahrhunderts stand Hamburg mit ungefähr 40.000 Einwohnern erst am Beginn seiner Entwicklung zur Welthandelsmetropole, und die neue Stadt wurde so großzügig geplant, dass sie Hamburg eine echte Konkurrenz hätte werden können. Auch verlief damals das Hauptfahrwasser noch dicht unterhalb des holsteinischen Ufers, so dass der Schiffsverkehr von hier aus kontrolliert und beherrscht werden konnte.

Im November 1615 war die Wildnis eingedeicht. Wenige Monate später stand schon ein „kleines Stetlein“, und der erste Plan einer idealen „Stadt und Festung“ wurde angefertigt. Er sah ein regelmäßiges Sechseck vor, aber nur der östliche, dem Land zugewandte Teil wurde vollständig nach diesen Entwürfen gebaut: Vom zentralen Markt führen Radialstraßen zu den 250 Meter entfernten Bastionen, die, durch eine äußere Ring- oder Wallstraße verbunden, jeweils in gleicher Entfernung von ebenfalls 250 Metern errichtet wurden. Eine zweite Ringstraße im Zweidrittelabstand vom Marktmittelpunkt bis zur äußeren Ringstraße verbindet nochmals die einzelnen Radialstraßen miteinander. Aus militärischen Gründen wurden diese Straßen schnurgerade angelegt, die Häuser standen alle in einer Front und waren ohne Erker und Balkone, hinter denen ein Feind hätte Deckung finden können. Die Anlage Glückstadts ist Sinnbild eines absoluten Herrscherwillens. Am 22. März 1617, dem offiziellen Geburtstag Glückstadts, verlieh Christian IV. der „newen Statt“ Namen, Stadtrecht und als Wappen die Glücksgöttin Fortuna.

Die Entwicklung im 17. Jahrhundert

Die Festung 1628

Die Festung 1628

Glückstadt überflügelte bald Itzehoe, Krempe, Wilster und andere Städte in Schleswig-Holstein an Einwohnerzahl und Bedeutung. Der Ausbau der Stadt, vor allem der Festungsanlagen, wurde ab 1620 mit dem Einsatz von fast 1.000 Soldaten und großen Material- und Geldmengen mächtig vorangetrieben. Festungsgräben wurden ausgehoben, Wälle, Schanzen und Bastionen aufgeworfen, Proviant-, Zeug- und Wachhäuser, Tore, Pulvertürme, eine Geschützgießerei, Proviantmühlen und Proviantbäckereien gebaut, komplizierte Ent- und Bewässerungssysteme angelegt, ein Hafen und ein breites Fleth in Nord-Süd-Richtung durch die ganze Stadt für die Schifffahrt hergerichtet. So ausgerüstet konnte Glückstadt schon 1627/28 als einzige Stadt des Landes der Belagerung Wallensteins im Dreißigjährigen Krieg widerstehen.

Nach dem Separatfrieden der Dänen mit der katholischen Kriegspartei 1629 in Lübeck wurde Glückstadt zum Zentrum der dänischen Aktivitäten in Schleswig-Holstein und als deutsche Residenz des Königs Operationsbasis seiner Politik gegenüber Hamburg und den auf der anderen Elbseite liegenden Ländern. 1639 beschloss Christian IV. eine Erweiterung der neuen Stadt nach Süden um fast das Doppelte, was aber wegen des Krieges mit Schweden 1643 gestoppt und nach 1648 aufgegeben werden musste. 1656 war südlich des Hafens ein erheblich verkürzter Festungsgürtel fertig gestellt. In diesen Grenzen verblieb Glückstadt bis zur Schleifung der Befestigungsanlagen 1814 – 1816.

1644/45 wurde von hier aus Holstein erfolgreich gegen die Schweden verteidigt. Die Festung schien uneinnehmbar. Deshalb wurde 1649 die Regierungskanzlei für Schleswig und Holstein von Flensburg hierher verlegt. Dieser Kanzlei wurde später eine Reihe höchster Landesgerichte angegliedert. Damit war Glückstadt die Hauptstadt des königlichen Teils in diesem Land und blieb es, bis die Dänen 1863 Glückstadt verließen und Kiel neuer Regierungssitz wurde. 1867 wurde Schleswig-Holstein preußische Provinz.

Als Residenzstadt konnte sich unsere Stadt schon 1630 bezeichnen, denn Christian IV. hatte sich am Hafen ein kleines Schloss gebaut und in einiger Entfernung davon einen Garten mit Lusthaus anlegen lassen. Schon unter seinem Nachfolger verwaiste der Garten, dessen Gelände in die neuen Befestigungsanlagen 1656 einbezogen wurde. Das Schloss musste 1710 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Aber die großen Palais, die sich die adligen Mitglieder der Kanzlei bauten, zeugen auch heute noch von der Regierungsstadt.

Glückstadt war nicht nur Garnison, Festung und Residenz, sondern vor allem im 17. Jahrhundert auch ein internationaler Hafen- und Handelsplatz. Das verdankt es im Wesentlichen zwei Bevölkerungsgruppen, die vor allem aus religiösen und politischen Gründen ihre Heimatländer verlassen hatten: den portugiesischen Juden und den reformierten Holländern. Sie kamen auch nach Glückstadt mit ihrem Kapital, mit ihren Schiffen und weltweiten Geschäftsbeziehungen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als sich zeigte, dass Glückstadt nicht annähernd zu solcher Blüte wie Hamburg gelangen könnte, verließen die Fremden unsere Stadt wieder. Und so haben Militär und Regierung Glückstadt stärker geprägt als der Handel.

Die Entwicklung bis heute

Plan der Festung kurz nach 1720

Plan der Festung kurz nach 1720

Die 2.000 Soldaten des dänischen Königinnen-Leibregimentes, seine Offiziere, die Beamten der Behörden und die staatlichen Aufträge für den Unterhalt der Garnison, der Militärbauten und Festungsanlagen waren die Existenzgrundlage der Einwohner, die ab 1700 vor allem ihren Unterhalt als „Herbergierer“, Diener, kleine Handwerker, Höker und Krämer oder als Fähr- und Prahmschiffer verdienten. Impulse für eine weitere Entwicklung gab es nicht. Im Gegenteil: der strategische Wert der Festung war im Laufe des 18. Jahrhunderts fragwürdig geworden.

1813/14 widerstand sie auch nicht mehr einer Belagerung durch die Gegner Napoleons, Dänemark war mit Frankreich verbündet und 1815/1816 wurden die Festungsanlagen geschleift. Von nun an lag nur eine kleine Garnison in der Stadt, die vor allem die Zuchthäuser, die zeitweise mit 600 – 800 Gefangenen belegt waren, zu bewachen hatte. Trotz aller Anfeindungen blieb Glückstadt auch jetzt noch Sitz der Regierungsbehörden. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass unsere Stadt schon 1845 an die ein Jahr früher gebaute Eisenbahnverbindung Altona-Elmshorn-Kiel angeschlossen wurde. Zwar wurden die Behörden 1863 verlegt, die Eisenbahnlinie aber blieb und eröffnete dem Glückstädter Wirtschaftsleben neue Möglichkeiten. 1875 wurde diese Linie nach Norden bis Tondern verlängert und Glückstadt Sitz der Marschenbahn-Direktion. Gewissermaßen als Ausgleich für den verlorenen Regierungssitz bauten die neuen Machthaber in Schleswig-Holstein von 1867 bis 1874 eine Dockschleuse, die die Hälfte des Hafens zu einem tide-unabhängigen Dockhafen machte.

Schon 1670 nahm eine zivile Gesellschaft mit Fangschiffen im Glückstädter Hafen Quartier. In diesem Jahr fuhren die ersten Schiffe von hier aus nach Grönland zum Wal- und Robbenfang. 1818 bestand die Flotte aus 17 Grönlandfahrern. In der ehemaligen Admiralität am Rethövel, dem heutigen Standort der Jugendherberge, wurde von nun an Tran gekocht. 1863 lief der letzte Walfänger von hier zum Fang aus.

Loggerflotte im Glückstädter Binnenhafen 1964

Loggerflotte im Glückstädter Binnenhafen 1964

1893 nahm eine neue, von hiesigen Bürgern gegründete Gesellschaft Besitz von der ehemaligen Admiralität: die Glückstädter Heringsfischerei, die bis 1976 Logger auf Heringsfang in die Nordsee schickte. Der von ihnen im Mai/Juni gefangene jungfräuliche Hering, der Matjes, begründete die heute noch bestehende Glückstädter Matjestradition. Die seit 1968 stattfindenden Glückstädter Matjeswochen beginnen in jedem Jahr am dritten Donnerstag im Juni. Der Wal- und der Heringsfang sind Vergangenheit.

Das 1871 gegründete Eisenbahnausbesserungswerk, das in den 1920er Jahren als Reichsbahnausbesserungswerk erheblich ausgebaut wurde, wurde inzwischen auch stillgelegt. Die 1936 nach Glückstadt in einen Kasernenneubau verlegte Marineeinheit, die nach der Wiederaufrüstung 1956 zurückkehrte, hat die Glückstädter Garnison verlassen. Bestand hat auch heute noch die 1911 hier angesiedelte Papierfabrik und Baumwollbleicherei Temming. Sie besteht heute aus zwei selbständigen Fabriken mit neuen Besitzern bzw. weiteren Teilhabern. Überlebt hat die hier seit der Gründungszeit schon bestehende Fährverbindung über die Elbe nach Niedersachsen.

Die polygonale Radialanlage des Stadtgrundrisses aus der Gründungszeit ist noch heute zu erkennen. Wegen dieses fast einmaligen Grundrisses mit den vier erhaltenen Stadtpalais, dem Turm eines fünften, dem im 18. Jahrhundert wie eine Burg gebauten Zuchthaus auf dem Rethövel, mit der geschlossenen langen Häuserzeile am Hafen, der früheren Mündung des Rhins, und mit einigen ehemaligen Bauten der Festung, wie z. B. dem großen Provianthaus, wurde Glückstadt vor einigen Jahren als Stadtdenkmal anerkannt und mit reichlichen Landes- und Bundesmitteln zu einem Restaurierungs- und Altstadtsanierungsschwerpunkt in Schleswig-Holstein. Noch rechtzeitig vor dem Einbruch der öffentlichen Finanzen konnte die Sanierung weitgehend abgeschlossen werden. Durch diese umfassende Restaurierung ist Glückstadt zu einem Kleinod geworden.

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